Seminar der Reihe „Arbeitskreis österreichisches Theater: alte Meister“
Das Ereignis ist jenseits aller Tränen
George Tabori, Die Kannibalen
Leitung: Magdalena Daroch (Universität Warschau), Monika Tokarzewska, (Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń), Krzysztof Tkaczyk (Universität Warschau)
Lektüre: George Tabori, Kannibale, übers. von Aleksander Berlin
Veranstalter: Österreichisches Kulturforum Warschau
Partner: Agentur für Theater und Drama ADiT, www.teatralny.pl, Österreich Bibliothek in Warschau
Patronat: Institut für Germanistik Universität Warschau
Was nach Auschwitz unmöglich geworden ist, das ist weniger das Gedicht als vielmehr Sentimentalität oder auch Pietät. Es wäre eine Beleidigung der Toten, etwa um Sympathie für ihre Leiden zu werben oder die totale Wucht ihrer Ausgesetztheit zu bejammern. Da ich ihr Vermächtnis nie angezweifelt habe, durfte ich es mir erlauben, auch den Hohn und Ekel ihrer Menschlichkeit zu zeigen, ehe ich am Ende ihren Widerstand feierte. – George Tabori
„Ich kann euch versichern, draußen sind überall Schatten”, sagt Ghoulos, einer der Protagonisten in Die Kannibalen (1968/69) von George Tabori, einem Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur, Provokateur, Virtuosen des Grotesken und Absurden, Holocaust-Überlebenden und Weltbürger, „im ganzen Gelände, hingestreckt, platt auf dem Erdboden. Schatten von den Baracken, von den Wachtürmen, vom elektrischen Draht – also, das nenn ich mal einen hübschen Schatten – von den Schubkarren mit den aufgetürmten Leichen. Der Himmel ist voller Rauchstreifen. Wer ist heute in diesem Rauch? Wir wollen dankbar sein, daß wir hier drinnen sind.” Und doch sind sie fast selbst Schatten, abgemagert und ausgehungert, besessen von dem Gedanken, einen ihrer Mitgefangenen zu essen, kehren sie in ihren Gesprächen zwanghaft zu dem zurück, was sie vor dem Krieg gegessen haben.
Tabori nimmt uns mit nach Auschwitz. In seiner theatralischen Farce, die einen Kontrapunkt zum dokumentarischen Theater darstellt, konfrontiert sich der Autor mit dem Undarstellbaren, über das er dennoch sprechen will. Er beschwört die Opfer und ihre Henker herauf, bringt die Nachgeborenen auf die Bühne, zeigt Menschen, die gezwungen sind, zwischen Gut und Böse, zwischen menschlichen und unmenschlichen Entscheidungen, zwischen Moral und Überlebensinstinkt zu balancieren. Und all dies, um zu beweisen, dass wir doch mehr sind als nur „ein Haufen Därme mit zwei Öffnungen“.
26.03.2025 (Mi.), 19:00 Uhr
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