Es ist ja doch ein Leben verbindet Erinnerungsfragmente, die das Wesen von Identität ausmachen. Die Schau führt aktuelle Arbeiten der Künstlerinnen Agnieszka Kalinowszka (*1971, lebt in Warschau, PL) und Irmgard Schaumberger (*1960, lebt in Graggererberg, A) zusammen und nützt die erinnerungs- und geschichtsgeladenen Räume des Österreichischen Kulturforums, das sich am Anfang des früheren jüdischen Ghettos befindet. Mittels Plakaten auf den riesigen Fensterflächen werden Passanten direkt angesprochen. Wenn sie sich dann hineinwagen stoßen sie auf zwei Filme und dreidimensionale Arbeiten aus Keramik. Der Dialog zwischen den beiden Positionen entwickelt sich langsam und verstörend schön in eine Reflexion über das Verlieren der Lebensgrundlage, des Zuhause und der eigenen Existenz.
Als künstlerische Antwort auf die Ausstellung „Dizziness, Navigating the Unknown” (Ujasdowski Center for Contemporary Art from Sep 15, 2017), fungieren die Filme, Keramiken, Papierstreifen und Sprachstücke als Träger für greifbare und nicht-greifbare Erinnerungen. Es geht um Schicksal, Verantwortung und dem nur allzu menschlichen Streben nach Stabilität, Erfüllung und Dazugehörigkeit.
Es ist ja doch ein Leben Künstlerinnen: Agnieszka Kalinowszka und Irmgard Schaumberger
Kuratorka/ Kuratorin: Katrin Bucher Trantow
Agnieszka Kalinowska
Geboren 1971 in Warschau, lebt und arbeitet in Warschau. 1993 – 1998 Malereistudium an der Akademia Sztuk Piêknych, Posen, zahlreiche Stipendien u.a. Civitella Ranieri, Perugia, Location One, New York, und Pro Helvetia, Zürich.
Agnieszka Kalinowska arbeitet mit unterschiedlichen Medien wie Video, Skulptur und Installation, ihre Arbeiten sind von konkreten politischen Ereignissen motiviert. Der Symbolgehalt der verwendeten Materialien ist so wesentlich wie deren konkrete Eigenschaften, ihr alltäglicher Gebrauch und ihre sofortige Wiedererkennbarkeit. Kalinowska arbeitet mit trivialen Materialien wie Papierschnüren, Stroh, Isolierbändern etc. Sie sind ausschlaggebend für die bipolare Spannung zwischen Gehalt und Ausführung und eine doppelbödige ästhetische Wendung innerhalb der Arbeit.
Kalinowskas Strohbilder basieren auf medial vermittelten Bildern, das Stroh transzendiert deren realistischen Gehalt. Die Werke wie Totem oder Nine Times verdichten die Spannung zwischen Gehalt und Ausführung in filigranen Gebilden. Die Betonskulpturen sind Bruchstücke aus einer Stahlbetonwand, deren Materialität Unzerstörbarkeit suggeriert. Die „Moos“bewachsung aus Plüsch, weich auf hartem Grund, nimmt die Idee vegetativer Ewigkeit ins zerbrochene Objekt hinein.
Die Videos von Kalinowska thematisieren Kommunikationsbarrieren und gesellschaftliche Trennlinien, die Protagonisten sind meist Randexistenzen der Gesellschaft, so zum Beispiel Türsteher, Gefangene einer Jugendstrafanstalt oder Flüchtlinge. Sie werden zu Darstellern in filmischen Settings, die ihre Situation konterkarieren, wobei eine schier unwirkliche theatralische Situation entsteht.
Neben Einzelausstellungen unter anderem im Łaźnia Zentrum für zeitgenössische Kunst, Danzig, dem Królikarnia - Nationalmuseum, Warschau, dem Museum moderner Kunst, Wien, dem Centre for Contemporary Art Ujazdowski Castle, Warschau, dem Kunstraum Walcheturm, Zürich, und der Zachęta National Gallery of Art, Warschau, war Kalinowska 2014 an der 19. Sydney Biennale beteiligt.
Irmgard Schaumberger
Geboren 1960 in Graz, lebt in Graggererberg in der Steiermark. Sie besuchte die Kunstgewerbeschule in Graz (Abteilung Keramik), studierte anschließend in Wien, Perugia sowie in Linz (Keramik). Sie ist seit 1988 Lehrbeauftragte für Keramische Formgebung an der HTBLVA für Kunst und Design, Ortweinschule Graz und seit 2000 leitet sie die Meisterschule für Kunst und Gestaltung Graz, Abteilung Keramische Formgebung. Personalen und Gruppenausstellungen u.a in der Neuen Galerie Graz, der Galerie Nothburga in Innsbruck, im GrazMuseum, an der International Biennal Exhibition of Contemporary Ceramics, Xi`an, China, am Internationalen Keramiksymposium Innsbruck-Tirol, an der Ceramica Multiplex in Varaždin, am steirischen herbst, am Österreichischen Kulturforum in Rom. Zahlreiche Preise im In- und Ausland.
Irmgard Schaumberger arbeitet mit Trägermaterialien: Mit dem Material der Keramik einerseits, dem der Sprache andererseits. Nach ihrem Abschluss an der Keramikklasse der Ortweinschule Graz und einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit Ton in all seinen Metaebenen der Sprache, der Tradition und der haptischen Form, hat sie in der Keramik ein Werkzeug unmittelbarster Kondensation gefunden. Für ihre konzeptuell geformten Arbeiten nutzt sie das gewählte Trägermaterial in seinen immanenten Eigenschaften als Speichermedium. Zum Erinnern und zum Erzählen.