Hildegard von Bingens Liber Scivias (um 1150)
Eine (früh)feministische Annäherung an christliche Theologie
Vortrag: Prof. Monika Leisch-Kiesl
Begrüßung: Marta Grabowska, Muzeum HERStorii Sztuki
Moderation: Agata Kokoryn, MA-Studentin der Kunstgeschichte und der Kulturwissenschaften
Hildegard von Bingen (1098¬–1179) war eine benediktinische Nonne und schon zu Lebzeiten hoch geschätzte Mystikerin, Ratgeberin in Lebensfragen, und Beraterin kirchlicher und politischer Autoritäten. In ihrem dreibändigen theologischen Hauptwerk bietet sie nicht nur eine überraschende Vision christlicher Heilsgeschichte, sondern unternimmt darin auch eine explizite Aufwertung der Charakterisierung der Frau. Eine frühe feministische Theologin? In gewissem Sinne, ja!
Im Zentrum wird das erste der drei Bücher, der Liber Scivias stehen, verfasst in den Jahren 1141–51. Diese Handschrift wurde noch zu Lebzeiten Hildegards geschrieben und, vermutlich unter ihrer Aufsicht, prächtig illustriert. Nicht nur der Text, auch die Bilder dieser Handschrift sind einzigartig.
Wir werden an diesem Abend also einen doppelten Dialog führen: einerseits zwischen Text und Bild, andererseits zwischen ‚männlichem’ und ‚weiblichem‘ Schreiben christlicher Heilsgeschichte.
Monika Leisch-Kiesl, Kunsthistorikerin und Philosophin, Kuratorin, Professorin an der Privaten Katholischen Universität in Linz, Gastprofessorin an Universitäten in Österreich, Deutschland und in der Schweiz. (www.leisch-kiesl.com)
Über Liber Scivias:
Scivias (dt. Wisse die Wege), auch bekannt als Liber scivias (seltener illuminierter Hildegard-Kodex), ist ein 1151 oder 1152 entstandenes illustriertes Werk christlicher Mystik von Hildegard von Bingen. Sie beschreibt darin insgesamt 26 selbst erlebte religiöse Visionen. Scivias ist Hildgards Erstlingswerk und gilt als eines ihrer bekanntesten Bücher. Handschriftlich, im romanischen Stil und lateinischer Sprache auf Pergament verfasst, bildet es den Auftakt einer Visionstrilogie. Es folgten die Bücher Liber vitae meritorum und De operatione Dei (letzteres auch bekannt als Liber divinorum operum) Hildegard steht in der Tradition der alttestamentlichen Propheten mit ihren formelhaften Ausdrücken. Wie diese Propheten war sie politisch und sozial engagiert und gab dementsprechend häufig moralische Ermahnungen und Anweisungen. Scivias kann im Wesentlichen als ein Wegweiser zur Erlösung gesehen werden. Theologische Fragen werden meist durch Analogieschlüsse (insbesondere bildliche Analogien) aufgeworfen und beantwortet.
Graphik: Liber Scivias, Teil 1, Kapitel 3: Gott, Weltall, Menschheit, Tafel 4: Weltall
03.04.2024 (Mi.), 18:00
Museum der KunstHerStory
Pałac Potockich, Markt
Krakau
Auf Englisch / Eintritt frei